Aprilia SRV 850
Aprilia SRV 850

Das Scooter Superbike

Die Konstruktionsmerkmale des 839 Kubikzentimeter großen, flüssigkeitsgekühlten Zweizylindermotors sind geblieben: Eine obenliegende Nockenwelle steuert vier Ventile je Zylinder, für die Gemischzubereitung ist eine elektronische Einspritzung zuständig, entflammt werden die großen Einzelbrennräume per Doppelzündung. Infolge der enormen Leistung und des gewaltigen Drehmoments von 76 Newtonmetern kommt beim SRV weiterhin der Einbau einer Triebsatzschwinge nicht in Frage, der V2 sitzt fest verbaut im Doppelschleifen-Verbund. Seine Kraft liefert er wie bei einem Motorrad über eine konventionelle Kette an das 15-zöllige Hinterrad. Die Änderungen am Motor liegen im Detail: Vor allem bei der Motorsteuerung bzw. Doppelzündung haben die Techniker Hand angelegt, der Twin überzeugt nun durch eine direktere Gasannahme, weniger Vibrationen und einen gesenkten Benzinverbrauch. Gegenüber dem GP 800 stiegen bei den Eingriffen die Motorleistung von 75 auf 76 PS und das maximale Drehmoment von 73 auf 76 Newtonmeter. Von 0 auf 100 beschleunigt der SRV laut Aprilia in 5,7 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit wird mit imposanten 194 km/h angegeben.

Eine weitere Maßnahme, den SRV 850 zu optimieren, sind die Modifikationen am Fahrwerk. Das ist zwar ebenfalls nahezu identisch mit dem des GP 800, allerdings passt die Abstimmung der einzelnen Komponenten jetzt auch einer auf mehr Komfort Wert legenden Zielgruppe. Die früher kritisierte, allzu sportliche Dämpfung des Vorgängers ist jedenfalls passé. Fahrbahnunebenheiten und Bodenwellen schluckt die 41er-Kayaba-Telegabel perfekt weg, auch das seitlich platzierte, horizontal montierte Sachs-Einzelfederbein verrichtet seinen Dienst anstandslos. Beim Geradeauslauf gab’s ohnehin kaum etwas zu meckern. Jetzt erstaunt der 249 Kilogramm wiegende Koloss sogar im kurvigen Gebiet mit erfrischender Handlichkeit, geradezu agil nimmt er geschwungene Verläufe unter die großen Räder. Das liegt vor allem an geringen ungefederten Massen des 16-zölligen Vorderrades und des 15-Zoll-Rades hinten, doch auch der minimal verkürzte Radstand beeinflusst die Lenkpräzision und Neutralität in Kurven positiv. Bei langsamem Tempo spürt der Fahrer dagegen das Gewicht, aber immerhin lässt sich der 850er nun – auch Dank des größeren Lenkeinschlags – in einem Zug auf der Landstraße wenden.

Wer mit Tempi knapp unter der 200 km/h-Grenze unterwegs ist, sollte sich auf die Bremsen des SRV verlassen können. Bei den ersten Fahrten mit dem Roller mussten wir noch mit einem Modell ohne ABS auskommen. Die beiden mächtigen 300er-Scheiben vorne und die 280er hinten packen aber auch so kräftig zu und verzögern den Roller ausgezeichnet. In Deutschland wird der Aprilia-Bolide ab Ende Juni dagegen ausschließlich mit ABS und Traktionskontrolle angeboten, was noch mehr aktive Sicherheit für den stärksten Roller der Welt verspricht.

Die Aprilia-Verantwortlichen betonten bei der Präsentation, dass sie mit dem SRV 850 noch eine Menge vor hätten, es sich bei der Namensänderung nicht nur um eine Marketing- Aktion handele. Das könne man daran erkennen, dass der Gilera GP 800 weiterhin angeboten werde – für etwa 1000 Euro weniger als der Superbike-Scooter, der 10390 Euro kosten wird.

Norbert Meiszies