Muskelprotz

Als Zugeständnis an den Fahrkomfort dürfen die einstellbaren Bremshebel nicht interpretiert werden, schließlich verbessert die richtige Griffweite das Bremsgefühl wesentlich. Trotzdem fällt für einen Sportler die für eine gute Bremswirkung benötigte Handkraft zu hoch aus, auch der Druckpunkt könnte klarer definiert sein. Die Bremseffektivität orientiert sich am Motorrad, sprich: Die Doppelscheibe vorn liefert den Löwenanteil bei der Verzögerung. Zusätzlich schützt ein serienmäßiges Zweikanal-ABS von Continental vor Sturzfolgen durch blockierende Räder. Dabei greift der Blockierverhinderer hinten früher als vorne ein, dort pulsiert’s auch stärker im Hebel.

Parallel zum ABS hat Aprilia die Traktionskontrolle ATC installiert, für die der gleiche Rechner permanent die Radgeschwindigkeiten von vorn und hinten abgleicht. Was sich zunächst wie ein Feature der Marketingabteilung anhört, findet unter den aktuellen Witterungsbedingungen seine Berechtigung: Ohne Angst vor einem wegschmierenden Hinterrad kann am feuchten Kurvenausgang Gas gegeben werden, denn zu viel Motordrehmoment nimmt das ATC durch weniger Frühzündung weg, notfalls unterbricht es zusätzlich die Kraftstoffzufuhr – das Eingreifen wird durch eine flackernde Anzeige im umfangreichen Cockpit signalisiert. Wer sich mehr zutraut, wählt den „Sport“-Modus vom rechten Lenkerende aus, dann erlaubt das System rund zehn Prozent mehr Schlupf am Hinterrad. Ein mögliches Abschalten der Traktionskontrolle ist indes nicht ratsam.

In Anbetracht von soviel Fahrdynamik ist den Entwicklern bei der Überarbeitung von Gilera zu Aprilia der Praxisgedanke offensichtlich etwas ins Hintertreffen geraten. Kleinere Verbesserungen wie das erweiterte Staufach, das nun einem ausgewachsenen Helm Platz bietet, und der größere Lenkeinschlag, der den Wendekreis verkleinert, sind ein bisschen wenig. Zumal die praktische Handhabung wie Aufbocken und Rangieren nicht von zarten Händen bewerkstelligt werden kann. Das ist schade, denn auch ein SRV will im Alltagsbetrieb bewegt werden.

Immerhin kristallisieren sich dadurch Einsatzbereich wie Interessentenkreis des Aprilia SRV deutlich heraus: Wer die Fahrdynamik eines Mittelklasse-Motorrades mit Automatik und Rollerattributen sucht, dabei auf Vielseitigkeit verzichten kann und 10390 Euro zur Verfügung hat, findet mit dem Aprilia Maxi die einzig mögliche Alternative.

Thilo Kozik