Honda Integra 700i
Honda Integra 700i

Bei Wind und Wetter

Ist Hondas Integra nun mehr Roller oder doch eher Motorrad? Diese Frage ist nicht im Handumdrehen geklärt, dafür braucht es eine intensive Untersuchung: 3500 teilweise stressige Kilometer lang haben wir uns dem Phänomen des japanischen Welten-Verbinders gewidmet, und gecheckt, was er alles drauf hat

Am Anfang steht das Wort – in diesem Fall der Artikel, der nach deutscher Auslegung das Geschlecht bestimmt: Heißt es nun die Integra oder der Integra? Dahinter verbirgt sich nichts Geringeres als die Einordnung in die entsprechende Kategorie: Motorräder sind grundsätzlich weiblich, während Roller gemeinhin als maskulin gelten. Hondas Marketingfachleute haben sich festgelegt und den Integra in der Rollerecke positioniert. Gehört das Ding denn überhaupt dahin? Um das zu ergründen, nahmen wir den Honda-Neuling außergewöhnlich lang unter die Lupe – exakt 3500 Testkilometer sollten Aufschluss geben. Um keinerlei Vorverurteilung zu unterliegen, ging es für den Integra nach Frankreich – bekanntlich werden hier die Artikel bei einem nachfolgenden Vokal abgekürzt, Franzosen nennen das Zweirad einfach l’Integra.

Um eins vorweg zu nehmen: Die mit der Fahrt in den Süden insgeheim verbundene Hoffnung auf schönes Wetter war im Wortsinne ein Schlag ins Wasser. Doch erst einmal ging es bei durchaus passablen Bedingungen über verwinkelte Eifelstraßen vorbei am Nürburgring in Richtung Luxemburg. In diesem Kurvenrevier kann das Motorradfahrwerk mit 17-Zoll-Rädern, Stahl-Brückenrahmen und ausgewogener Gewichtsverteilung dank der mittigen Motorlage punkten: Schon in den ersten Kurven schafft der Integra unheimlich viel Vertrauen durch sein sehr neutrales und schräglagenstabiles Fahrverhalten, gepaart mit ausgezeichneter Lenkpräzision – hier erreicht der Honda ein für Roller bislang unerreichtes Niveau. Sauber hält er die angepeilte Linie bei und pflügt ums Eck, dass es eine wahre Freude ist. Zur herzerfrischenden Fahrdynamik tragen die aufgezogenen Reifen vom Typ Metzeler Roadtec Z8 ihren Senf bei, die sehr neutral abrollen und einen mächtigen Grip aufbauen. Okay, überhandlich wieselt der 700er nicht durch die Eifel – er ist halt kein 125er auf Dreizehnzöllern – doch reagiert er verlässlich und exakt auf eingeleitete Lenkimpulse. In Wechselkurven verlangt das 238 Kilo schwere Zweirad nach deutlich spürbarem Engagement, doch mit anderen Maxi-Scootern und den meisten Motorrädern kann er sich infolge der tiefen Schwerpunktlage jedoch mehr als messen.

Bei der flotten Kurvenhatz gefällt auch der 670 Kubikzentimeter große Zweizylinder- Reihenmotor, der mit einem innovativen Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe versehen ist und die 52 PS über eine ungewohnte Kette ans Hinterrad transferiert. Anders als bei einer klassischen Variomatik geschieht der Kraftschluss direkt und nicht fliehkraftgesteuert, der fehlende Schlupf sorgt für ein direktes Ansprechverhalten und weniger Verlustleistung im Antriebsstrang. Zum Losfahren muss erst bei gezogener Bremse per Daumendruck der rechten Hand der erste Gang eingelegt werden, dann stehen dem Fahrer drei Möglichkeiten offen: Der normale Automatikmodus (D), eine sportlich abgestimmte Automatik (S) oder manuelles Schalten mittels zweier Tasten am linken Lenkerende.